Zu den Anforderungen hinsichtlich der Darlegung von Diskriminierung in einem Bewerbungsverfahren

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 13.12.2010 – 2 Sa 924/10

§ 22 AGG setzt den Vortrag von Indizien, die auf eine Diskriminierung schließen lassen, voraus. Der Vortrag darf sich nicht darauf beschränken, darzustellen, dass der Anspruchsteller Träger eines oder mehrerer Merkmale aus § 1 AGG ist.

In einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren liegt die Ungleichbehandlung in der Versagung des Zugangs zur nächsten Verfahrensstufe. Haben andere Merkmalsträger diesen Zugang geschafft, widerlegt dies, dass diskriminierende Merkmale ausschlaggebend für die Entscheidung waren.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.06.2010

– Az.: 2 Ca 10973/09 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

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Entscheidungsgründe:
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Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen diskriminierender unterlassener Einstellung.
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Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keine Indizien im Sinne des § 22 AGG dargestellt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Da zudem Bewerber in die nächste Stufe des mehrstufigen Bewerbungsverfahrens aufgenommen wurden, die ebenfalls Träger von diskriminierenden Merkmalen waren, steht vielmehr fest, dass die Beklagte bei der Entscheidung, welche Mitbewerber des Klägers in die nächste Stufe des Bewerbungsverfahrens aufgenommen wurden, sich von dem Vorhandensein diskriminierender Merkmale nicht hat leiten lassen.
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Die bloße Tatsache, Träger von diskriminierenden Merkmalen zu sein, ist kein Indiz, welches eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt. Vielmehr ist ein Sachverhalt darzustellen, der über die Tatsache, dass der Kläger Muslim ist und zum Bewerbungszeitpunkt 51 Jahre alt war, also Merkmalsträger ist, hinaus geht (vgl. BAG vom 22.10.2009 – 8 AZR 642/08 – ). Solche Indizien sind nicht dargelegt.
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Die Tatsache, dass dem Kläger beim türkischen Sprachtest die Benutzung eines Wörterbuchs untersagt wurde, stellt kein solches Indiz im Sinne des § 22 AGG dar. Dies diente vielmehr der Gleichbehandlung aller Kandidaten, da die weiteren acht mit dem Kläger gemeinsam getesteten Bewerber ohnehin kein Wörterbuch benutzen wollten und benutzt haben. Soweit ein Bewerber aus Heidelberg, der, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, hinter ihm saß, ebenfalls im Besitz eines Wörterbuchs während des Tests war, konnte der Kläger nicht substantiiert schildern, ob dieses Wörterbuch tatsächlich bei der Fertigung des Testergebnisses benutzt wurde. Der Kläger hätte substantiiert darstellen müssen, ob dieser Bewerber oder diese Bewerberin nach der Erklärung, dass der Kläger kein Wörterbuch benützen dürfe, sich hieran nicht gehalten hat. Da durch das Benutzungsverbot gegenüber dem Kläger erstmals gleiche Testbedingungen für alle Stellenbewerber hergestellt wurden (acht Testkandidaten haben unstreitig nicht beabsichtigt gehabt, ein Wörterbuch zu benutzen), liegt hierin somit kein Diskriminierungsindiz.
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Auch die Tatsache, dass der Kläger erst während des Tests und nicht bereits vorher darauf hingewiesen wurde, dass er Wörterbücher nicht benutzen dürfe, ist als Indiz im Sinne des § 22 AGG nicht geeignet. Ein solcher Hinweis war erst dann erforderlich, als der Kläger sich tatsächlich anschickte, das Wörterbuch zu benutzen. Hätte er es während des Tests nicht benutzt, hätte auch kein Hinweis erfolgen müssen. Offensichtlich hat die Beklagte überhaupt nicht damit gerechnet, dass der Kläger die Benutzung im Test beabsichtigte, da auch acht weitere Mitglieder der Testgruppe während des Tests keinerlei Wörterbücher benutzt haben.
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Der Kläger hat auch nicht eine konkrete Reaktion der Interviewpartnerin, auf seine Erklärung, er sei säkularer Muslim, dargestellt. Eine konkrete Reaktion auf diese erst im Laufe des Interviews mitgeteilte Tatsache konnte der Kläger nicht schildern. Eine Äußerung der Interviewpartnerin zu dieser Mitteilung des Klägers ist offensichtlich nicht erfolgt.
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Auch die Behauptung des Klägers, er habe die dritte Seite des Englischtests ausgefüllt, ist nicht in der geeigneten Weise unter Beweis gestellt worden. So hat der Kläger zum einen nicht dargestellt, welche Antworten er dort gegeben haben will. Die in der ersten Instanz noch angekündigten Handyfotos der von ihm ausgefüllten Testseiten sind nicht vorgelegt worden. Zudem spricht gerade das Indiz, dass der Kläger bereits vor der gesetzten Zeit mit dem Englischtest fertig war, während andere Mitbewerber mit der Zeit nicht ausgekommen sind, dafür, dass der Kläger schlicht eine Seite des Testes übersehen hat. In diesem Fall sind auch keine Fingerabdrücke auf dem Papier zu erwarten.
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Auch die Tatsache, dass der Kläger in seinen Testergebnissen nur einen Punkt Abstand zu den Bewerbern hatte, die in die nächste Stufe des Bewerberverfahrens aufgenommen wurden, spricht nicht für, sondern gegen eine Benachteiligung. Hätte die Beklagte sicherstellen wollen, dass der Kläger die nächste Stufe des Bewerbungsverfahrens nicht erreicht, hätte nichts näher gelegen, als seine Testergebnisse soweit abzuwerten, dass er im hinteren Bewerberbereich platziert gewesen wäre. Tatsächlich hätte die vom Kläger erreichte Punktzahl bereits dann ausgereicht, um in die nächste Stufe des Bewerberverfahrens zu gelangen, wenn einige der türkischsprachigen Mitbewerber ihre Bewerbung vor der Einladung zum Assessment Center zurückgezogen hätten oder bei dieser Stufe des Bewerbungsverfahrens einer der Bewerber, die im türkischen Sprachtest besser als der Kläger abgeschnitten hatten, aus anderen Gründen als ungeeignet ausgeschieden wären. In diesem Fall wäre der Kläger in die nächste Bewerbungsebene nachgerückt, was es nachvollziehbar macht, dass er nicht unmittelbar nach Durchführung des Sprachtests bereits eine Absage erhalten hat.
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Auch die Tatsache, dass der Kläger in dem Kurzinterview zu seiner universitären Abschlussarbeit befragt wurde, stellt kein Indiz für eine Benachteiligung im Sinne des § 1 AGG dar. Die Anfertigung einer universitären Abschlussarbeit nimmt im Leben eines Studenten einen erheblichen Zeitraum in Anspruch. Die Beschäftigung mit dem Thema prägt das Leben eines Studenten für eine längere Zeit. Es ist naheliegend, dass ein zukünftiger Arbeitgeber, der hören will, wie sich ein Bewerber in der deutschen Sprache ausdrücken kann, diesen dazu auffordert, etwas über seine Examensarbeit zu referieren.
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Auch die Behauptung, die Beklagte wolle keine sunnitischen Muslime einstellen, weil hier mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko zu rechnen sei, ist als Indiz im Sinne des § 22 AGG nicht geeignet. Es handelt sich letztendlich um nicht mehr als die Behauptung, dass ein diskriminierendes Merkmal vorliege bzw. die Beklagte vermute, der Kläger sei Träger eines solchen diskriminierenden Merkmals. Die Behauptung geht damit nicht über die als Indiz ungeeignete Tatsache, der Kläger sei Merkmalsträger oder werde als solcher angesehen, hinaus. Zudem ist die Behauptung vorliegend auch unlogisch. Die Beklagte hätte ohnehin noch eine Sicherheitsüberprüfung des einzustellenden Bewerbers veranlasst. Bei dieser Sicherheitsüberprüfung wären tatsächlich vorhandene Sicherheitsbedenken zutage getreten. Diese hätten es ohne weiteres gerechtfertigt, das Bewerbungsverfahren abzubrechen. Da gerade der Verfassungsschutz weitergehend als alle anderen Arbeitgeber über die Möglichkeit verfügt, sicherheitsrelevante Tatsachen über Bewerber in Erfahrung zu bringen, bestand keinerlei Notwendigkeit, aufgrund einer bloßen vorliegenden oder angenommenen Merkmalsträgereigenschaft Bewerber im mehrstufigen Bewerbungsverfahren zu benachteiligen.
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Sämtliche vom Kläger mit der Berufung dargestellten Indizien sind damit entweder nicht hinreichend substantiiert dargestellt, nicht als Indiz zu bewerten oder nicht hinreichend unter Beweis gestellt worden. Stattdessen ergibt sich für die Kammer aber die Überzeugung, dass die Bewertung der sprachlichen Kompetenzen sowie die Durchführung des Kurzinterviews ordnungsgemäß erfolgt sind, so dass der Rangplatz des Klägers diskriminierungsfrei festgestellt wurde. So ist zum einen offensichtlich, dass die vom Kläger gefertigte Übersetzung von der “Idealübersetzung” abweicht und hierdurch sprachliche Schwächen offenbart. Der Kläger war der einzige, der die anderen Testteilnehmer während des schriftlichen Tests dadurch gestört hat, dass er Nachfragen stellte. Alle anderen Bewerber haben den schriftlichen Test absolviert, ohne Hilfestellung zu erfragen und haben sich jedenfalls bemüht, die gestellte Aufgabe ohne zusätzliche Hilfsmittel zu lösen. Zudem ist auch nachvollziehbar, dass das Kurzinterview nicht als gelungen eingeordnet wird, wenn der Kläger in diesem den durchgeführten Sprachtest als ungeeignet kritisiert. Auch ein kurzer Text kann gut oder schlecht übersetzt werden.
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Da zudem unstreitig geblieben ist, dass von den 11 zum Assessment Center nach Berlin eingeladenen Bewerberkandidaten jedenfalls zwei Bewerber sowohl das Merkmal höheres Alter als auch das Merkmal Migrationshintergrund aufwiesen, steht für die erkennende Kammer fest, dass die Beklagte sich bei der Durchführung des mehrstufigen Bewerbungsverfahrens streng an die Grundsätze der Auswahl nach Eignung und Leistung, wie es vom Grundgesetz vorgeschrieben ist, gehalten hat. Damit ist der Schadensersatzanspruch abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

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